Eine andere Welt ist Möglich!

Rede: Bereithaltung von Ersatzkraftwerken

Rede im Bundestag am 24.06.2022 zur Bereithaltung von Ersatzkraftwerkung im Fall einer drohenden Gasmangellage

Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Frau Präsidentin!

Ich möchte ganz ehrlich sein: Die Unsicherheit, ob wir es schaffen, die Klimakrise aufzuhalten oder nicht, bereitet mir wahrlich große Sorgen. Und in vielen Regionen dieser Welt zerstört die Klimakrise bereits die Lebensgrundlagen von Menschen, weshalb auf den UN-Klimakonferenzen aktuell schon ein Diskurs über Loss and Damage, über Verluste und Schäden durch die Klimakrise läuft.

Warum erzähle ich das, wenn es in diesem Gesetz doch um eine mögliche Verlängerung der Laufzeit der Kohlekraftwerke geht? Beim Versuch, eine Krise, eine Notlage zu bewältigen, dürfen wir nicht die anderen aus den Augen verlieren.Wenn wir politische Entscheidungen treffen, dann müssen wir dabei das Wohl aller Menschen im Auge behalten. Die Krisen unserer Zeit können wir nur gemeinsam lösen.

Ja, wir befinden uns in einer Notlage, einer Gasnotlage. Zur Ehrlichkeit gehört aber auch, zu sagen, dass sie entstanden ist, weil sich die früheren Regierungen nicht von der Abhängigkeit von den Fossilen gelöst haben und wir nun vor einem Desaster stehen. Diese nichtzeitgemäße Politik werden wir aber nicht weiter fortführen. An dieser Stelle möchte ich ausdrücklich all jenen Abgeordneten danken, die sich aktuell unermüdlich für die Erneuerbare-Energien-Wende einsetzen. Ihr macht einen grandiosen Job! Vielen, vielen Dank.

Zurück zu diesem Gesetz. Wir prüfen natürlich mit großer Ernsthaftigkeit die Auswirkungen der unterschiedlichen Szenarien auf die Klimakrise. Und wir prüfen die mögliche Konsequenz, dass wir an anderer Stelle hart Emissionen einsparen und/oder sogar dafür sorgen müssen, dass Rohstoffe im Boden bleiben müssen und fossile Rohstoffe nicht mehr verfeuert werden dürfen. Wir prüfen beispielsweise auch, ob überhaupt die Notwendigkeit besteht, die Braunkohle ins Gesetz aufzunehmen, da sie die CO2-intensivste Energieform ist.

Für mich ist eine weitere Perspektive von besonderer Bedeutung: die der Menschen in den Abbauregionen. In den Bergbauregionen in Nordkolumbien zum Beispiel werden Menschenrechte massiv verletzt. Betroffen ist beispielsweise in diesen Territorien die indigene Bevölkerung der Wayuu. Die Erweiterung des Tagebaus in ihrer Heimat geht mit massivem Landraub und Umweltzerstörung einher – und das nur, damit wir hier in Deutschland ohne Kompromisse unseren Wohlstand leben können. Ihre Existenz wird durch unser Handeln hier und jetzt bestimmt. Dieser Wahrheit und auch dieser Verantwortung müssen wir uns deshalb stellen. Keine Steinkohletagebaue in anderen Regionen der Welt dürfen durch unsere Notfallmaßnahmen erweitert oder neu erschlossen werden.

Aus meiner eigenen Region, dem Rheinischen Braunkohlerevier, möchte ich euch Folgendes mitgeben: Auch hier wurde die Perspektive der Menschen, die ihre Dörfer und Höfe wegen des Abbaus der Braunkohle verlieren, lange nicht beachtet. Sie dürfen nicht länger die Leidtragenden der Fehler der Vergangenheit sein.

Das aktuell akut bedrohte Dorf Lützerath am Tagebau Garzweiler muss erhalten bleiben. Die 55 Meter dicke Kohleflözschicht unter dem Dorf darf nicht mehr verfeuert werden. Das sind die fossilen Ressourcen, die wir jetzt im Boden lassen müssen.

Was wir ebenfalls prüfen, sind die Bedenken der Grünen Liga hinsichtlich des Einsatzes der Kraftwerkblöcke Jänschwalde E und F mit Bezug auf die Auswirkungen des Kühlwasserverbrauchs auf die Spree, besonders auf die Trinkwassergewinnung. Brandenburg und Berlin erleben bereits eine Dürre; und deshalb werden wir die Auswirkungen sehr genau prüfen.

Kurzfristige Maßnahmen auf Grundlage dieses Gesetzes dürfen nicht zu langfristigen negativen Effekten führen. Darüber werden wir weiter verhandeln. Die Frage, ob die Braunkohle überhaupt hinzugezogen wird, ist eine Frage, die wir noch klären werden.

Vielen Dank.