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Der "RWE Paragraf"

Gravierende Fehler des §48 im "Kohleausstiegsgesetz"

Der §48 des „Kohleverstromungsbeendigungsgesetzes“ von 2020 legt eine energiepolitische und energiewirtschaftliche Notwendigkeit für den Braunkohletagebau Garzweiler fest. Dadurch wird die Möglichkeit geschaffen, dort nach geltenden Bergrecht die Häuser von Menschen zu enteignen, um die unter den Häusern liegende Kohle zu entreißen.

Wie wir heute wissen, hätte dieser Paragraf so aber nie geschrieben werden dürfen und muss schnellstmöglich ersatzlos gestrichen werden. Hier sind drei Gründe warum.

Veraltete Ausgangslage

Die Klimapolitik in Deutschland und Europa ist deutlich weiter als sie es zur Ausgangslage des §48 war. Seitdem hat die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts die Klimaziele der Bundesregierung verurteilt, die EU neue Klimaziele festgeschrieben und die neue Bundesregierung ein früheres Kohleausstiegsdatum, nämlich 2030 als Zielrichtung gewählt – der NRW Ministerpräsident Hendrik Wüst öffentlich übrigens auch.

 

Verfassungsrechtliche Zweifel

In einem Gutachten bezweifelt Professor Dr. Thomas Schomerus, ehemaliger Richter an einem Oberverwaltungsgericht, dass der Paragraf einer juristischen Prüfung standhält. Die „energiepolitische und energiewirtschaftliche Notwendigkeit“ müsste sich auf die nationale Energieversorgungssicherheit beruhen, das wurde aber nie geprüft. „Zur Gewährleistung der nationalen Energieversorgungssicherheit ist die gesetzliche Bedarfsfeststellung in § 48 KVBG aber nicht erforderlich, weil sie nicht auf einer Prüfung und Bewertung der energiewirtschaftlichen Notwendigkeit aller relevanten Braunkohletagebaue in Deutschland beruht“

Klima-Allianz über das Rechtsgutachten

Interessenkonflikte durch RWE Gutachten

Wie kam der Paragraph überhaupt zu Stande? Wir haben mal beim Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz nachgefragt und uns wurden genau drei Gutachten genannt, die den Paragraf gestützt haben. Alle drei Gutachten wurden aber nicht von neutralen Institutionen in Auftrag gegeben, sondern von keinem anderen als RWE. Genau das RWE, dass durch die angebliche energiepolitische Notwendigkeit ihre Milliarden verdient. Hier zeigt sich unmissverständlich wie stark die Einflussnahme dieses Kohlekonzerns in die Entscheidungen der letzten Bundesregierung eingegriff.

Die Gutachten sind:

  • „Gutachterliche Stellungnahme zur gewinnbaren Kohlemenge im Tagebaue Garzweiler in den Abbaugrenzen gemäß der Leitentscheidung 2016“ von Professor Dr.-Ing. Christian Niemann-Delius im Auftrag von RWE Power AG [1]

  • „Energiewirtschaftliche Notwendigkeit der Braunkohlengewinnung und -Nutzung im Rheinischen Revier“ von Frontier economics im Auftrag von RWE Power AG [2]

  • „Energiewirtschaftliche Notwendigkeit der Braunkohlengewinnung und -Nutzung im Rheinischen Revier – Ergänzende Analyse des Stilllegungspfades gemäß Bund/Länder-Einigung“ von Frontier economics im Auftrag von RWE Power AG [3]

Die energiewirtschaftliche Notwendigkeit des Tagebaus Garzweiler II im Bundesvergleich wurde in keiner der drei Studien hinreichend geprüft. Vielmehr wurden Kohlemengen und andere Faktoren bestimmt, wobei der Fokus stets auf dem rheinischen Revier lag. Die Lausitz und das Leipziger Land sind lediglich am Rande in Bezug auf gesamtwirtschaftliche Aspekte und Arbeitsplätze eingeflossen.

Diese Informationen legen nahe, was schon aus internen Dokumenten des Bundeskanzleramts zur sog. Garzweiler-Klausel angedeutet wurde: Die Regelung zum Tagebau Garzweiler kam vor allem auf Drängen von RWE und dem Land NRW in das KVBG. [4]

 

Der Spiegel berichtet: Paragraf zu Garzweiler II basiert auf RWE-Gutachten

Was jetzt?

Bevor unwiedergutmachbare Entscheidungen über die Zerstörung von Dörfern, Natur und Lebensraum getroffen werden, ist es nur sinnvoll die Gesetzgebung anzupassen. Veraltete und schlichtweg falsche Paragrafen müssen gestrichen, die Klimaziele generationsgerecht aufgegriffen werden. Konkret heisst das:

  • §48 KVBG ist ersatzlos zu streichen.
  • Die nötigen Vorkehrungen für das Sichern der Dörfer am Tagebau sind zu treffen.
  • Weder Landes- noch Bundesregierung dürfen sich bei nachfolgender Planung nach § 48 richten.
  • Die aktuellen Klimaziele müssen sich in der Gesetzgebung wiederfinden, damit die Gerichte auch entsprechende Entscheidungsgrundlage haben.
  • Das Bergrecht muss im Sinne des Klimaschutzes reformiert werden.
  • Die NRW Landesregierung braucht eine neue Leitentscheidung, die Klimaschutz (und planetare Grenzen überhaupt) berücksichtigt.

Es reicht längst nicht nur Klimaziele zu setzen. Für unser aller Zukunft, und die Gegenwart derjenigen, die schon heute die Folgen der Klimakrise spüren sind wir verantwortlich. 

Kathrin Henneberger

Pressekontakt:
Alex Volk, Pressemitarbeit ber Kathrin Henneberger
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