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Reisebericht: Togo 2023

Dienstreise Togo von Kathrin Henneberger MdB – 4.06.2023 bis 10.06.2023

Auf Einladung von Frau Parlamentarische Staatssekretärin Dr. Bärbel Kofler begleitete ich ihre Dienstreise vom 4.06.2023 bis 10.06.2023. Diese Reise tätigte ich insbesondere als zuständige Berichterstatterin im Ausschuss für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung für die Themen Menschenrechte, nachhaltige Entwicklung und Klimagerechtigkeit.


Der Schwerpunkt der Reise war ein Austausch mit Minister*innen, Organisationen und lokalen Akteuren der Entwicklungszusammenarbeit sowie zivilgesellschaftlichen Akteuren mit einem besonderen Fokus auf Geschlechtergerechtigkeit und Menschenrechte. Thematisch wurden ebenfalls Gespräche geführt zu gerechten Bildungswesen und Gesundheitspolitik als Treiber für Entwicklung, Klimakrise, Sicherheit und Resilienz im Norden Togos, soziale Sicherungen, Energiesicherheit, Menschenrechte und Meinungsfreiheit.

Togo war von 1884 bis 1916 eine deutsche Kolonie und in dieser Zeit kam es neben Ausbeutung der Rohstoffe zu massiven Menschenrechtsverletzungen. Sexualisierte Gewalt von weißen Kolonialbeamten gegen Frauen waren beispielsweise alltäglich sowie Zwangsarbeit, Prügelstrafe, Folter und strukturelle rassistische Gewalt allgegenwärtig.


Deutschland hat seine Entwicklungszusammenarbeit mit Togo im Jahr 2012 wieder aufgenommen. Im Laufe der Jahre ist Deutschland zu Togos größtem bilateralen Geberland geworden. Die deutsche Unterstützung konzentriert sich auf verschiedene Bereiche wie Bildung, Gesundheit und landwirtschaftliche Entwicklung und insbesondere auf die Förderung von Gleichberechtigung der Geschlechter.

Frauen übernehmen innerhalb der Gesellschaft und Familien die zum größten Teil die Care-Arbeit für Erziehung, Haushaltsführung und Subsistenzlandwirtschaft. Leider werden die Interessen und Stimmen der Frauen oft nicht ausreichend gehört, und ihre Möglichkeiten zur Beteiligung sind begrenzt. Besonders im ländlichen Raum haben Frauen oft eingeschränkten Zugang zu Bildung, Land und Kapital. Zusätzlich sind sie häufig Opfer von häuslicher und sexualisierter Gewalt.

Während der Reise wurden zahlreiche Gespräche mit Frauen geführt und Projekte besucht, die direkt zur Unterstützung von Frauen beitragen. Diese Projekte umfassen unter anderem Geburtsstationen, eine Hebammenschule, Berufsschulen sowie Initiativen zur Förderung der Familienplanung und sexuellen Selbstbestimmung. Unter anderem haben wir ein Gesundheitszentrum mit Geburtsstation besucht sowie die Hebammenschule Kara.
Dort konnten wir uns auch mit jungen Müttern über ihre Bedürfnisse und Erfahrungen austauschen. Der Aufbau und die Erweiterung der medizinischen Versorgung und Betreuung, insbesondere für Frauen, sind von großer Bedeutung, um Frauen eine selbstbestimmte Familienplanung zu ermöglichen und die Sterblichkeitsrate sowie die medizinische Unterversorgung bei Geburten anzugehen. Laut der GIZ nutzt nur circa jede sechste verheiratete Frau in Togo Methoden der modernen Familienplanung und nur 57 Prozent der Schwangeren nehmen vier Termine zur Geburtenvorsorge wahr.

Vor Ort wurde uns zudem die Wichtigkeit und Existenz von Vätergruppen und die Aufklärung von Männern betont, um ein gleichberechtigtes Familienleben sowie reproduktive Gesundheit und Rechte zu stärken. Diese Bemühungen sind entscheidend, um die Rechte und die soziale Stellung der Frauen in Togo zu stärken und ihnen die Möglichkeiten zur aktiven Teilnahme an der Gesellschaft zu eröffnen. Zudem kam es zu einem ausführlichen Austausch mit Frauenrechtsgruppen RAFAD (Réseaux des Associations de Femmes en Action pour le Développement) und APRODIFE (Action pour la Promotion et le Développement intégral de la Femme et de l’Enfant).

In Lomé trafen wir für Gespräche den Gesundheitsminister Mijiyawa, Finanzminister Yaya, Minister Pré (Delegationsleiter RV) und Generalsekretär Paneto (Planministerium). Es kam zu einer Zwischenzusage für TZ-Vorhaben ProSanté und Unterzeichnung eines FZ-Finanzierungsvertrags. Die Maßnahmen im Programm ProSanté haben das Ziel das Gesundheitssystem zu stärken. Der Zugang und die Nachfrage nach qualitativ hochwertiger Gesundheitsversorgung der Bevölkerung, insbesondere im Bereich der sexuellen und reproduktiven Gesundheit, sollen verbessert werden.

Ein weiteres wichtiges Thema ist die Schaffung einer widerstandsfähigen Gesundheitsversorgung in Ländern wie Togo, die von der Klimakrise betroffen sind. Veränderte Wetterbedingungen durch die Klimakrise haben zur Ausbreitung von Krankheiten beigetragen. Zum Beispiel führen starke Regenfälle zu einem Anstieg von Malariafällen. Gleichzeitig beeinträchtigen steigende Temperaturen und Dürre die Verfügbarkeit von Nahrungsmitteln, was die Anfälligkeit der Bevölkerung für Krankheiten erhöht.
Um das Gesundheitssystem in Togo besser auf die Auswirkungen der Klimakrise vorzubereiten, unterstützt das Projekt die Entwicklung einer Klimastrategie für den Gesundheitssektor.

In Kara besuchten wir das Krankenhaus für Infektionskrankheiten CMI (Pandemieprävention, Gesundheitssystemstärkung – SRGR/Covid-Sondermittel) sowie die ausgebaute Zweigstelle des nat. Hygieneinstituts INH (Pandemieprävention, Gesundheitssystemstärkung/Covid-Sondermittel).

Sehr wichtig war uns der Austausch mit Akteurinnen, die sich für Menschenrechte sowie politische Gefangene engagieren. Auf unserer Dienstreise konnten wir Vertreterinnen verschiedener Menschenrechtsorganisationen treffen, die sich für Presse- und Meinungsfreiheit einsetzen, regelmäßig Berichte über die Entwicklungen verfassen und Themen wie politische Gefangene, Folter und Missbrauch in Gefängnissen behandeln.

Wir haben uns mit CACIT (COLLECTIF DES ASSOCIATIONS CONTRE L’IMPUNITÉ AU TOGO) getroffen, einem Dachverband verschiedener Menschenrechtsgruppen. ASVITTO (ASSOCIATION DES VICTIMES DE LA TORTURE AU TOGO) kümmert sich besonders um politische Gefangene und setzt sich gegen Folter ein. Laut ASVITTO müssen politische Gefangene besonders fürchten, in ihrer Haft Folter und Missbrauch zu erleben. Oft wird der Zugang zu ihnen erschwert. Ein Problem besteht darin, dass existierende Gesetze gegen Folter in solchen Fällen meist nicht angewendet werden, da es keine oder zu wenig Aufklärung gibt. AMNESTY INTERNATIONAL (AI) ist ebenfalls in Togo präsent und arbeitet eng mit den anderen Gruppen zusammen. OTM (OBSERVATOIRE TOGOLAIS DES MEDIAS) kümmert sich besonders um Presse- und Meinungsfreiheit. Sie kritisieren insbesondere, dass die Drohung rechtlicher Konsequenzen gegenüber Journalistinnen und Journalisten genutzt wird und dass die Verbreitung journalistischer Arbeit in sozialen Medien nicht unter Gesetze zur Pressefreiheit fällt. Deshalb werden Journalistinnen und Journalisten angeklagt und verfolgt, und es gab bereits Fälle, in denen Journalisten aus Angst vor Repressionen das Land verlassen mussten. Besonders wenn über die sich verschlechternde Sicherheitslage im Norden des Landes in Bezug auf terroristische Gruppen berichtet wird, müssen Journalistinnen und Journalisten sowie Akteure der Zivilgesellschaft Repressionen befürchten.

Die Sahel-Zone, die im Norden Togos liegt, ist um Landnutzungskonflikten um Ressourcen wie Wasser, Land und Nahrung geprägt. Diese Spannungen tragen zur Sicherheitsproblematik in der Sahel-Zone bei und betreffen auch den Norden Togos, wo sich die Sicherheitslage in den letzten Jahren verschlechtert hat. Die zunehmende Bedrohung durch extremistische und kriminelle Gruppen betrifft nicht nur Togo, sondern auch andere Anrainerstaaten der Sahel-Zone wie Senegal, Elfenbeinküste, Ghana, Benin und andere. Diese Gruppen üben Druck auf die Grenzregionen aus und destabilisieren die Region weiter. Die Realität der Klimakrise ist auch in Togo eine existenzielle Bedrohung. Im Norden, nahe der Sahelregion, werden die Trockenzeiten und Dürren bereits länger, so berichteten es mehrere Bürgermeister*innen und Gemeinderäte der Gemeinde Oti Sud 1 in Gando. Die landwirtschaftlichen Erträge werden geringer und damit die Einnahmen der Bevölkerung, die primär von Subsistenzlandwirtschaft lebt. Die Klimakrise verursacht eine weitere Destabilisierung der Region Savanne im Norden von Togos und erleichtert es extremistischen sowie kriminellen Gruppen neue Rekruten zu finden.