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Die Dörfer werden Garzweiler überleben

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Die Kohlebagger kratzen bereits seit Monaten an unseren Gartenzäunen.
Die Kohlebagger kratzen bereits seit Monaten an unseren Gartenzäunen. © Boris Roessler / dpa

Die NRW-Regierung sollte sich jetzt für uns und gegen den Braunkohle-Abbau entscheiden und dies nicht erst 2026 prüfen. Der Gastbeitrag.

Es ist wieder so weit, die Landesregierung von Nordrhein-Westfalen beschließt mit einer Leitentscheidung die Zukunft des rheinländischen Braunkohlereviers. Und wir, die wir am Tagebau Garzweiler wohnen, fühlen uns gefangen in einem Alptraum. Ein Alptraum, in dem große Maschinen sich Tag um Tag immer näher fressen, um alles zu zerstören, was wir Zuhause nennen. Orte, an denen wir groß geworden sind. Orte, an die wir die schönsten und schmerzhaftesten Erinnerungen unseres Lebens knüpfen. Sie verschwinden, als wären sie nie da gewesen.

„In Anspruch nehmen“ nennen die Landesregierung und der Kohlekonzern RWE es, wenn sie in der Leitentscheidung die Flächen bestimmen, die abgebaggert werden sollen. „Rückbau“ sagen sie, wenn sie dann mit Kettensägen und Baggern kommen, uns unsere Wälder und Häuser nehmen. Am Tagebau Garzweiler will NRW-Ministerpräsident Armin Laschet die Dörfer Immerath und Lützerath so schnell wie möglich zerstören , die anderen fünf Dörfer sollen bis 2028 folgen.

Wenig entfernt am Tagebau Hambach wollen sie unseren geliebten Hambi zwar stehen lassen, aber so um ihn herum baggern, dass auch hier ein Dorf weiter zerstört werden soll und das Wald-Ökosystem so unter Hitze- und Dürrestress geraten wird, dass es kaum bestehen kann.

Insgesamt fast eine Milliarde Tonnen Braunkohle wollen sie hier weiter fördern. Angesichts der Klimakrise und der Tatsache, dass wir so schnell wie möglich unsere Emissionen auf null reduzieren müssen, wenn wir wissenschaftliche Erkenntnisse und das Übereinkommen von Paris respektieren, ist dies unbegreifbar und fernab der Realität.

„Unsere“ Landesregierung unter Laschet verharrt in ihrem eigenen parallelen Universum. In einer Welt von vorgestern, geprägt von der Vorstellung, es sei das Recht weißer Menschen im globalen Norden, mit Ausbeutung der Natur und auf Kosten der Menschen in den Ländern des globalen Südens reich zu werden und zu bleiben. Neben der Landesebene nehmen wir die Bundes- und europäische Politik in Mithaftung für das, was in unserem Zuhause passiert.

Das rheinländische Braunkohlerevier ist und bleibt als größte CO2-Quelle Europas einer der zentralen Orte, an denen über unser aller Zukunft entschieden wird. Unseren Streit gegen die Kohlebagger führen wir nicht nur für eine Handvoll Dörfer. Als verantwortungsvolle und zukunftsorientierte Menschen ziehen wir hier die rote Linie. Die Tagebaue und Kohlekraftwerke haben klimapolitisch schon lange keine Existenzberechtigung mehr.

Im Jahr 2026, so kündigte die Landesregierung nun an, wolle sie prüfen, ob die Zerstörung von Keyenberg, Kuckum, Ober- und Unterwestrich wirklich noch notwendig sei. Dabei zeigt die wissenschaftliche Faktenlage bereits eindeutig, dass die Braunkohle unter den Dörfern nicht mehr benötigt wird. Zu diesem Schluss kommt ein zuerst unter Verschluss gehaltenes Gutachten des Bundeswirtschaftsministeriums.

Die Kohlebagger kratzen bereits seit Monaten an unseren Gartenzäunen. Dass die Landesregierung erst in fünf Jahren zugeben will, dass unsere Dörfer niemals abgebaggert werden, ist ein politisches Armutszeugnis. Sie scheut sich, jetzt für uns und damit gegen RWE zu entscheiden. Sie setzt auf einen Zermürbungseffekt in den kommenden Jahren, aber den wird es nicht geben. Für uns steht fest, dass wir in unseren Häusern wohnen bleiben. Warum sollten wir auch aufgeben, wo der Sieg so nahe scheint?

In Lützerath werden wieder Baumhäuser gebaut. Der Priesterrat der Bistum Aachens stoppte kürzlich die vorzeitige Entwidmung der Keyenberger Pfarrkirche. Trotz Corona-Pandemie gingen im letzten Jahr immer wieder Tausende Menschen mit Abstand auf die Straße, um für den Erhalt der Dörfer und eine zukunftsfähige Klimapolitik zu protestieren.

Die Zukunft wird nicht länger von der fossilen Industrie und ihren politischen Verbündeten geschrieben – wir tun es. Ministerpräsident Armin Laschet, Schoßhündchen von RWE, hat es schon nicht geschafft, den Hambacher Wald zu roden. Er sollte aufpassen, dass er auf dem Weg ins Kanzleramt nicht auch noch über den Widerstand am Tagebau Garzweiler stolpert.

Kathrin Henneberger ist Aktivistin für Klimagerechtigkeit und Grünen-Kandidatin für den Bundestag am Tagebau Garzweiler.

David Dresen ist ein Pressesprecher von „Alle Dörfer Bleiben“. 

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