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Nachgefragt
01. März 2021

„Ich kämpfe für progressive Mehrheiten“

In unmittelbarer Nähe zu Öl-Raffinerien und dem rheinischen Braunkohlerevier aufgewachsen, setzt sich Kathrin Henneberger seit ihrer Jugend auf vielfältige Weise für Klimagerechtigkeit ein. Nun will sie für die Grünen in den Bundestag einziehen. Ein Gespräch über ihre Beweggründe und warum sie sich vehement gegen eine Politik nach CDU-Art einsetzt.

Kathrin Henneberger, kandidiert in Mönchengladbach für den Bundestag

Kathrin Henneberger, kandidiert in Mönchengladbach für den Bundestag
Profilbild von Kathrin Henneberger mit einem Kohlekraftwerk im Hintergrund
Bild: Kathrin Henneberger

Du bist im Rheinland in unmittelbarer Nähe zum Braunkohlerevier von RWE aufgewachsen, inwieweit hat dich das geprägt?

Ich bin im Kölner Süden aufgewachsen und was mich Anfangs noch viel stärker geprägt hat, ist die dortige Shell Raffinerie. Das war für mich immer ein Ort der Bedrohung. Es gab Lecks in den Pipelines und die Umwelt wurde mit Erdöl belastet. Man bekam einfach mit, wie leichtfertig die Industrie die Umwelt in Gefahr bringt. Wir haben ein wunderschönes Auenökosystem im Kölner Süden, dass durch die Industrieanlagen daneben ständig bedroht war. Dann bin ich auch über die Tagebaue von RWE gestolpert. Man kann wirklich sagen, dass das Rheinland, also mein Zuhause, leider ein Ort ist, der mit seinen fossilen Industrien dafür sorgt, dass in anderen Regionen der Welt Menschen wegen der Klimakrise ihre Lebensgrundlagen verlieren.

Und dann hast du begonnen dich aktiv gegen diese fossilen Industrien einzusetzen?

Das war im Jahr 2000 mit 13. Es gab natürlich noch kein Fridays for Future und ich bin zur Jugendarbeitsgemeinschaft von Greenpeace gegangen. Dort habe ich viel gelernt, von wissenschaftlichen Grundlagen, bis dazu, wie man erfolgreich Kampagnen führt. Von da ging mein Weg recht schnell zur Grünen Jugend. Mir war schon bewusst, dass wir auf eine Klimakatastrophe zusteuern und dachte, dass die Politik doch endlich reagieren müsste. Doch stattdessen musste ich mit dem damaligen CDU-Bundestagsabgeordneten aus unserem Wahlkreis auf einer Schulveranstaltung sogar eine Diskussion führen, ob es die menschengemachte Klimakrise überhaupt gibt. Das hat mich sehr frustriert und bestärkt selbst Politik zu machen. Daher bin ich zur Grünen Jugend gegangen, weil ich gesehen habe, dass wir die Rahmenbedingungen unseres Lebens und Wirtschaftens radikal ändern müssen.

In den letzten Jahren hast du dich entsprechend stark für internationale Klimagerechtigkeit eingesetzt.

Mit Anfang 20 war ich als Journalistin auf Klimakonferenzen und habe dort gespürt, wie dringlich die Klimakrise bereits ist. Während es im Globalen Norden in manchen Regionen mal etwas heißer und trockner wird, sind Menschen in anderen Regionen bereits existenziell betroffen, wie etwa in der Sahel-Zone, wo sich die Wüste ausbreitet, oder im Pazifik, wo die Menschen nach und nach ihre Inseln verlieren. Zwar kommen auf den Klimakonferenzen fast alle Länder der Welt zusammen, doch Entscheidungen werden am Ende des Tages oftmals in Hinterzimmern getroffen, wo die Länder, die am meisten unter der Klimakrise leiden, am wenigsten zu sagen haben. Vor allem Frauen sind unterrepräsentiert, dabei sind sie noch stärker von der Klimakrise betroffen als Männer. Ob in Deutschland oder international, Entscheidungen werden primär von einem kleinen Teil der Bevölkerung getroffen, der weiß, männlich und wohlhabend ist. Das verhindert, dass Maßnahmen getroffen werden, die die Klimakrise aufhalten und für globale soziale Gerechtigkeit sorgen.

Vor diesem Hintergrund habe ich mit anderen auch das Institute of Environmental Justice gegründet. Dort machen wir einerseits mit Freund*innen aus Equador, Namibia und Uganda Projekte zur Stärkung der internationalen Zusammenarbeit für Klimagerechtigkeit. Andererseits machen wir auch Bildungsarbeit in Deutschland. Dabei versuchen wir den Stimmen von Menschen aus dem Globalen Süden, von Wissenschaftler*innen bis zu Kleinbäuer*innen, in Deutschland Gehör zu verschaffen. Denn im deutschen Diskurs über Klimagerechtigkeit fehlt sehr oft die Perspektive dieser Menschen.

Als Teil von Ende Gelände hast du dich auch konkret für die Menschen in deiner Heimat eingesetzt, deren Zuhause von den Braunkohletagebauen bedroht ist.   

Tagtäglich versucht der Braunkohlekonzern RWE hier Fakten zu schaffen, bevor politische Entscheidungen gefällt werden können und Gerichtsprozesse ausgestanden sind. Es macht einen so wütend zu sehen, wie egal RWE die Menschen sind, deren Dörfer von den Tagebauen bedroht sind. Es wäre ja auch kein Problem die Dörfer zu erhalten, wie eine Studie im Auftrag des Wirtschaftsministeriums zeigt. Stattdessen werden für den kurzfristigen Profit RWEs weiter Häuser abgebaggert. Und die Politik lässt das einfach zu, statt sich um das Wohlergehen der Bevölkerung zu kümmern, was eigentlich ihr Auftrag wäre. RWE und der Ministerpräsident NRWs, Armin Laschet, arbeiten vielmehr eng zusammen für die Profitinteressen. Diese Art von Politik war schon immer falsch und können wir uns heute einfach nicht mehr leisten. Und mit der müssen wir uns anlegen, auf unterschiedlichste Arten und Weisen.

Das ist auch einer der Gründe, warum ich mich entschieden habe für den Bundestag zu kandidieren, in einem Wahlkreis in unmittelbarer Nähe zum Tagebau Garzweiler, um solidarisch an der Seite der Menschen zu stehen, die für ihre Dörfer streiten. Im Bundestag gibt es bislang keinen Abgeordneten in der Region der bedrohten Dörfer Garzweiler, der sich konkret dafür einsetzt, dass die Tagebaue geschlossen und die Dörfer gerettet werden. Dafür will ich mich einsetzen, wie auch andere Grüne Kreisverbände in meiner Umgebung. Wir müssen auf sehr vielfältige Weise die Klimakrise aufhalten.

Nach aktuellen Umfragewerten erscheint ein schwarz-grünes Bündnis mit Armin Laschet als CDU-Vorsitzenden möglich und in Medien wird fleißig über eine solche Koalition spekuliert.

Michael Kellner, unser Bundesgeschäftsführer, hat letztens ein sehr schönes Zitat gesagt: „Wir wollen die CDU schlagen“. Auch ich will die CDU schlagen, und die Politik, für die sie steht. Das ist eine Politik des Gestern. Das ist eine fossile, eine patriarchale Politik und eine Politik gegen Menschenrechte, wenn wir uns anschauen, was gerade an den europäischen Außengrenzen passiert. Diese Politik der Vergangenheit müssen wir jetzt beenden, oder wir werden es nicht schaffen, die Klimakrise aufzuhalten und eine andere Gesellschaft aufzubauen. Denn unsere Zukunft könnte richtig schön aussehen, wäre da nicht die Klimakatastrophe und wäre da nicht ein Wirtschaftssystem, das ausbeutet und sozial ungerecht ist. Deswegen kämpfe ich für progressive Mehrheiten und ich sehe gerade niemanden in meiner Partei, der das anders macht.

Was bedeutet für dich ein progressives Bündnis?

Natürlich etwas ökologisch-soziales, also wie auch immer dann grün-rot, oder grün-rot-rot aussieht. Damit hätten wir eine größere Chance progressive Politik umsetzen, besonders mit Blick auf Gleichberechtigung aller Geschlechter sowie einer humanen Flucht- und Migrationspolitik. Und wenn wir uns die Umfragewerte anschauen, dann geht es um 10 Prozent mehr Stimmen. Warum sollen wir nicht dafür kämpfen? Ich habe schon so viele Kämpfe geführt, die aussichtslos erschienen, aber habe mich nicht abschrecken lassen. Wir dürfen nicht das Handtuch werfen, wo wir doch so viel zu verlieren haben.

Nun setzt sich aber die SPD in Mecklenburg-Vorpommern stark für NordStream2 ein und ist auch insgesamt neuen Gas-Projekten nicht abgeneigt.

Ja da müssen wir wahrlich noch viel Bildungsarbeit leisten bei der SPD. Aber neben den Grünen kandidieren auch bei der SPD viele junge Menschen für den Bundestag, die teilweise bei Fridays for Future aktiv sind. Gemeinsam müssen wir eine progressive Politik durchsetzen. Auch gegen einige Menschen, die als Koalitionspartner in Frage kommen und noch nicht verstanden haben, dass Gas keine Brückentechnologie ist.

So viele junge Menschen (unter 35) wie noch nie wollen in den Bundestag einziehen. Was kann ein deutlich jüngeres Parlament bewirken?

Ich finde es super, dass junge Menschen kandidieren. Man sieht, dass ein unglaublicher Drang von jungen Menschen da ist, selbst über ihre Zukunft zu bestimmen, weil die Politik in den letzten Jahrzehnten versagt hat. Und jetzt müssen wir es halt selbst machen. Junge Menschen sind immer noch unterrepräsentiert im Bundestag, genauso wie Frauen, genau so wie People of Color (BIPOC). Der Bundestag spiegelt aktuell einfach nicht die Bevölkerung wider. Über unsere Grünen Landeslisten versuchen wir diese strukturellen Ungleichheiten aufzubrechen, sodass wir Platz machen für einen vielfältigeren Bundestag, der unterschiedliche Bevölkerungsgruppen besser repräsentiert.

Was mir aber auch wichtig ist, dass wir eine starke Zivilgesellschaft haben, die die Politik puscht. Wenn jetzt ein paar von uns in die Parlamente wollen, wird es so unglaublich wichtig sein, dass die Proteste noch viel stärker werden. Auch ich möchte getrieben werden von einer starken Klimagerechtigkeitsbewegung, die mir keinen schlechten Kompromiss durchgehen lässt. Wenn wir gute politische Maßnahmen ergreifen wollen, dann geht das nur, wenn es richtig Stress gibt, von der Straße aus, von den Wäldern aus.

Protest kann auch mit Repressionen verbunden sein.

International wird der Raum für die Zivilgesellschaft immer enger. Jährlich steigt die Todesrate von Menschen, die sich für Umweltschutz einsetzen, gerade bei der indigenen Bevölkerung. Und in Deutschland haben wir teils heftige Diskurse darüber erlebt, dass Schüler freitags für das Klima streiken. Mir ist es ein großes Anliegen, dass der Raum für Menschen international und in Deutschland nicht weiter schrumpft, sondern größer wird ihre Stimme zu erheben. Menschen dürfen keine Angst haben vor Repressionen, wenn sie sich einsetzen für den Schutz von Wäldern oder für das Ende von Tagebauen.

Das Gespräch führte Manuel Först


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